Treff in Thomas: Von Mainz nach Stockholm und wieder zurück mit Katharina und David Prinz

veröffentlicht 05.06.2025 von Andreas Hauff, Ev. Kirchengemeinde Mainz-Oberstadt

(5.6.2025) Ein Foto der deutschen Kirche St. Gertrud in Stockholm zierte die Einladung zum Treff in Thomas am 5. Juni 2025. Katharina Prinz, seit dem 1.2.2025 Gemeindepfarrerin im Luther-Bezirk der evangelischen Oberstadt-Gemeinde, war zuvor Vikarin an der Deutschen Sankt Gertruds Gemeinde in der schwedischen Hauptstadt. Ihr Ehemann David, inzwischen Vikar in der Mainzer Auferstehungsgemeinde, begleitete sie mit den beiden Kindern nach Schweden. Das junge Theologen-Ehepaar berichtete in Wort und Bild von seinen Erfahrungen.

Es war ein informativer und unterhaltsamer Abend. Das lag an der Vielfalt der Aspekte, am Wechselgespräch zwischen den Ehepartnern und auch an den eingestreuten Quizfragen fürs Publikum. Die leichteste Frage stand am Anfang. „Wie heißt die schwedische Hauptstadt?“ Nun, das stand ja schon in der Einladung. Der Schwierigkeitsgrad erhöhte sich allmählich, und bei der Frage nach der Einwohnerzahl Schwedens oder nach der prozentualen Anzahl der Katholiken im Land brauchte man schon Landeskenntnisse oder ein gutes Schätzvermögen. (Die richtigen Antworten lauten10,6 Millionen und 1,6 %.) Überhaupt war eine ganze Menge überraschend für Menschen, die mit den Verhältnissen in Schweden nicht vertraut sind.

Die deutsche Kirchengemeinde St. Gertrud hat eine lange Tradition, die zurück in die Zeit der Hanse weist. Mit besonderer Erlaubnis von König Gustav I. Vasa wurde sie 1571 von deutschen Kaufleuten gegründet, die in Stockholm ihre Niederlassungen hatten. Sogar heute noch sind Teile der Stockholmer Altstadt in deutschem Besitz. Vom Kirchturm mit seinen 279 Stufen erklang im 17. Jahrhundert das Glockenspiel, wenn das Postschiff aus Lübeck eintraf. Das reich geschmückte Innere der Kirche wirkt in deutschen Augen katholisch. Das liegt daran, dass Gustav I. Vasa den lutherischen Glauben in Schweden behutsam etablierte; so kam es auch zu keinem Bildersturm wie mancherorts in der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden, wo der calvinistische Einfluss radikalisierend hinzukam. Die Kirchengemeinde gehört der schwedischen lutherischen Kirche an. Die Gottesdienste werden aber von deutschen Geistlichen auf Deutsch nach der schwedischen Gottesdienstordnung gehalten. Gesungen werden viele deutsche, aber auch einige traditionelle schwedische Lieder. Die ins Deutsche übersetzte Liturgie der schwedischen Kirche ähnelt stark der katholischen Messe, und man spricht auch eher von der „Messe“ als vom“Gottesdienst“. Abendmahl wird jeden Sonntag gefeiert. An der Spitze der Institution stehen nicht nur Bischöfe  (wie in einigen deutschen Landeskirchen, z.B. Kurhessen-Waldeck), sondern darüber auch noch der Erzbischof von Uppsala (anstelle des Rates der EKD). Theologische Grundlage ist aber das Augsburger Bekenntnis der Lutheraner von 1530, das Pfarramt steht gleichberechtigt Frauen offen, und es gibt neben 12 Bischöfen auch eine Bischöfin.

Die Trennung von Kirche und Staat trat in Schweden erst am 1. Januar 2000 in Kraft; zuvor wurde jeder Schwede mit der Geburt Mitglied der Staatskirche. So schrumpfte die Mitgliederzahl von 1972 95,4 % der Bevölkerung im Jahr 1972 auf 52,1 % im Jahr 2023 – ohne dass dies für besondere Nervosität innerhalb der Kirche sorgt. Die Finanzierung erfolgt über Kirchensteuern, die St. Gertrudsgemeinde wird aber auch durch mehrere Stiftungen unterstützt. So verfügt sie über eine erstaunliche Breite von hauptamtlichen Mitarbeitern: Einen Pfarrer, einen Kantor, einen weiterer Kirchenmusiker, eine Diakonin und einen Diakon (beide mit sozialpädagogischer Ausbildung), eine Religionspädagogin, eine Kraft für Sekretariat und Öffentlichkeitsarbeit, eine Küsterin, einen Kämmerer und einen Gebäudeverwalter. Der Pfarrer wird aus Deutschland entsandt und bezahlt; die übrigen Mitarbeiter finanziert die schwedische Kirche. Das Miteinander der verschiedenen Berufsgruppen hat in Schweden Tradition, und als Vikarin hat Katharina Prinz das als große Bereicherung empfunden. Unsere Landeskirche fängt nun im Zuge des Reformprozesses “ekhn 2030“ an, Verkündigungsteams zu etablieren; man darf gespannt sein, wie diese funktionieren.

Seit letztem Jahr hat die EKHN eine Partnerschaft mit dem schwedischen Bistum Västerås. (Die Stadt Västerås, der Bischofssitz, liegt 100 km westlich von Stockholm.) David Prinz, der sich in dieser Partnerschaft engagiert, berichtete über das schwedische Konzept der Kinder-Altäre in den Kirchen. Kinder finden dort liturgische Gewänder und Gegenstände, bis zum Miniatur-Sarg, und können damit kirchliche Rituale bis hin zu Trauung und Beerdigung nachspielen. Damit wachsen sie spielerisch in den Ernst des Gottesdienstes hinein. Am Zentrum Verkündigung der EKHN denkt man gerade darüber nach, ob sich diese Idee übertragen lässt, die einem zunächst einmal fremd erscheint. (Allerdings ergibt eine Internetrecherche, dass es diese Kinderaltäre in Deutschland schon gab – und zwar bis nach dem Zweiten Weltkrieg in katholischen Kirchen in der Eifel.)

Wie man es im langen und dunklen schwedischen Winter aushält, wurde das Ehepaar Prinz gefragt. „Gut!“ war die etwas überraschende Antwort. Der Schnee reflektiert das Licht, Lichterketten erhellen die Straßen und Lichterbögen die Fenster. Und natürlich freuen sich alle auf das Lucia-Fest am 13.12., das auch in St. Gertrud feierlich begangen wird. Ansonsten gilt die Devise: „Egal, welches Wetter - raus an die frische Luft!“