Auf „The King of the Fairies“, ein traditionelles irisches Musikstück, folgte ein Reigen von drei frei vorgetragenen Märchen, beginnend mit der „Klugen Gretel“ der Brüder Grimm: Die Köchin Gretel kann den von ihr im Auftrag ihres Herrn für einen Gast zubereiteten knusprigen Hähnchen nicht widerstehen, und als der Gast auftaucht, vertreibt sie ihn mit der Lüge, der Gastgeber, der im Hintergrund das Messer für die vorfreudig erwarteten – allerdings von Gretel bereist verspeisten – Hähnchen wetzte, mit der Lüge, der Gastgeber wolle dem Gast die Ohren abschneiden. Dem Gastgeber tischt sie die Lüge auf, der Gast sei mit den Hähnchen im Gepäck verschwunden.
Das Märchen von der Mäusefrau von François Villon (1431 in Paris geboren und ein Schriftsteller mit turbulentem Leben), trug Annemarie Mauchert in gereimten Versen vor. Im afrikanischen Märchen „Der Mann, der sich vor Dieben fürchtete“ verschafft sich ein Dieb mit einem Stück Fleisch Zutritt in ein Haus, aus dem er dann listig zuerst Töpfe und im weiteren heiteren Verlauf die Kleidung des vermögenden Eigentümers entwendet. Darauf erklang vom Ingelheimer Flötentrio die „Bourrée“ von Christoph Graupner (1683 bis 1760).
Nach der Pause, in der das Publikum mit Gisela Wilkes Spundekäse, Brezeln und Fladenbrot verwöhnt wurde, ging es musikalisch mit der „Courante“ von Michael Praetorius (1571/72 bis 1621) und dem Märchen vom Bären und Wolf weiter. Es handelt von einem Wolf, der dem Bären von allen Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung erzählt, an deren Ende er das Alleinsein genießt. Im darauf folgenden Märchen „Die törichten Wünsche“ von Charles Perrault (1628 bis 1703) gewährt Jupiter einem Holzfäller drei Wünsche, die er fahrlässig vergeudet, indem er sich zunächst eine schöne große Bratwurst wünscht, die er im Streit mit seiner Frau dieser dann an die Nase wünscht, womit sich der letzte Wunsch, die Befreiung der Nase von der Wurst, von selbst ergibt.
Das letzte, gereimte, Märchen des Zeitgenossen Friedhelm Kändler verknüpft die Märchen „Dornröschen“ und „Der Froschkönig“. So verfangen sich die schönen Prinzen im Rosengestrüpp, das Dornröschen umgibt und schafft es nur ein Frosch, bis zu ihr vorzudringen. Da sich dieser für sie nicht als der erhoffte Prinz erweist, geht sie von da ab immer wieder an den Teich, kehrt mit Fröschen zurück, die sie jedes Mal an die Wand wirft, wovon nur lauter Flecken an der Wand bleiben. An dieses letzte Märchen schloss sich das Musikstück „All Lust und Freud“ von Hans Leo Hassler (1564 bis 1612) an.
Friederike Böttcher, Pfarrerin i. R. und stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Thomaskirche, fragte im Nachgespräch, woraus Annemarie Mauchert ihre Märchen schöpft, worauf die Gefragte mit „mehr als 100 Märchensammlungen“ antwortete. Im Nachdenken, ob Märchen eher der Vergangenheit angehören, fielen Annemarie Mauchert Oscar Wilde und Günter Grass als Beispiele für Autoren ein, die neue Märchen schrieben. Auch wurden die gehörten Märchen auf das Hier und Jetzt übertragen. Der Fleischtrick im Märchen „Der Mann, der sich vor Dieben fürchtete“ erinnert an den bekannten Enkeltrick. Und wenn Dornröschen in der Hoffnung auf den Traumprinzen einen Frosch nach dem anderen an die Wand wirft, so passt hierzu das Bonmot „Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt.“ Demgegenüber bleibt die begründete Hoffnung auf weitere schöne Abende beim Treff in Thomas.